Zu der kultur- und handelspolitischen Bedeutung Abus kam noch eine andere hinzu: die Hügel auf dem Ostufer, im Süden der heutigen Stadt Aswan und die Inseln des Kataraktengebietes sind die nördlichsten Ausläufer eines Granitriegels innerhalb der Zone nubischen Sandsteins, die einzige Stelle in Ägypten, deren Lage eine großzügige Ausbeutung dieses kostbaren Baumaterials und seinen Transport zu Schiff nach Norden gestattet. In den großen Bauperioden des Alten, Mittleren und Neuen Reiches wurde die Bevölkerungszahl der Grenzstadt, die im Wesentlichen aus Soldaten, Verwaltungsbeamten und Handelsleuten bestanden haben mag, vermehrt durch bedeutende Aufgebote von Handwerkern, die das Gestein brachen, bearbeiteten und abtransportierten, mit Wahrscheinlichkeit darf man für diese Zeiten auch einen Stamm einheimischer Steinarbeiter annehmen. Die Lage der Stadt an der Südgrenze des Reiches bestimmte den Aufgabenkreis der leitenden Beamten von Elephantine. Mit den höchsten politischen Befugnissen als Statthalter des Königs verbanden sich hier im Grenzland auf das engste Aufgaben kultureller Art: Die Versehung der höchsten Priesterämter in den Tempeln der Götter des 1. oberägyptischen Gaus.
Die Hochfläche der Westlichen Wüste tritt gegenüber der Insel Elephantine mit ihren sandverwehten, stellen Abhängen bis unmittelbar an den Fluß heran, ohne einen Uferstreifen zu bilden. Die Hänge säumen den Fluß nach Norden bis zu der Stelle, an der der Fluß aus seiner nordöstlichen Richtung in die genau nördliche umbiegt. An dem Knick erreichen die Uferberge in der "Qubbet el-Hawa" ihre höchste Erhebung (180 m ü. M., etwa 130 m über dem Fluß). Der Gipfel trägt das weithin sichtbare weiße Kuppelgrab des Schêch Ali ibn el-Hawa.
Nördlich der Qubbet el-Hawa treten die Berge etwas zurück, am nördlichen Fuß des Berges liegen die beiden Kuppelgräber der Schêche Negme und Ibrahim und auf dem breiten sandigen Uferstreifen zieht sich am Fluß das nubische Dorf "Gharb Aswan" weit nach Norden hin. Die sandverwehten Hänge der "Qubbet el-Hawa" geben die Erklärung für den Namen, der "Hügel der Winde" bedeutet: Flugsandmassen bedecken die südöstlichen und nördlichen Abhänge; unter dem Flugsand lagen die Grabeingänge verschüttet, bis um 1886 durch Sir Francis Grenfell begonnrn wurde, sie vom Sand zu befreien.
Die die bekanntesten und für den Tourismus erschlossenen Gräber liegen in ungefähr gleicher Höhe am Bergabhang in etwa 60 in Höhe über dem Fluß sowie auf weiteren Bauebenen unter- und oberhalb dieser mittleren Terrasse. Die hier übernommene Grenfellsche Nummerierung der Gräber 25 bis 36 führt von Süden nach Norden und umfaßt nicht sämtliche Anlagen. Solange nicht neue Ausgrabungen eine andere Zählung der Gräber verlangen, ist es praktisch, an dieser Bezeichnung festzuhalten, zwischenzeitlich neu entdeckte Gräber wurden mit einem zusätzlichen kleinen lateinischen Buchstaben bezeichnet.
Die Gräber des Alten Reiches verteilen sich über die ganze mittlere und eine untere Terrasse. Das älteste Grab aus der Zeit des Mittleren Reiches, Nr. 36, beschließt die Hauptterrasse im Norden; die späteren Gräber des Mittleren Reiches liegen zwischen denen des Alten Reichs, einzelne kleinere Gräber dieser Zeit befinden sich oberhalb der Hauptterrasse. Allerdings ist davon auszugehen, dass bis zum heutigen Tage nur ein Teil der hier vorhandenen Anlagen entdeckt ist, Schätzungen schwanken zwischen 15 und 50 Prozent.
Ich persönlich bin überzeugt, dass sich besonders im unteren Teil - heute besonders durch Sandverwehungen, aber auch durch den Abraum darüber liegender Gräber verschüttete - zahlreiche weitere Grabanlagen befinden.